Erfahrungsbericht von Jean-Louis Zeien aus Ghana

Fairtrade Lëtzebuerg · 

Im September hat Jean-Louis Zeien mehrere Kakaokooperativen in Ghana besucht, um mehr über die Problematiken der Kakaoproduzenten zu erfahren.

Lesen Sie untenstehend seinen Erfahrungsbericht.

"In Kumasi im westafrikanischen Ghana bin ich bei der Kakaokooperative „Kuapa Kokoo“ zu Besuch. Die schmucke Versammlungshalle der kleinen Bauerngemeinschaft ist gefüllt mit weit über hundert Kakaobäuerinnen und Kakaobauern. Unser Gesprächsthema ist gerade, was der faire Handel vor Ort den Menschen bislang konkret gebracht hat.  Da steht eine ältere, zierliche und lebenslustige Bäuerin auf und ergreift mit einem verschmitzten Lächeln das Wort: „Dank Fairtrade werde ich endlich fett.“ Einen kurzen Moment stutzt die versammelte Teilnehmerschaft und dann brechen alle in ein herzhaftes Lachen aus. Treffender hätte die Bäuerin es in der Tat nicht auf den Punkt bringen können. Der Faire Handel ermöglicht es den Familien in ihrer kleinen Dorfgemeinschaft die Grundbedürfnisse zu erfüllen und natürlich auch die Teller ihrer Kinder täglich zu füllen. Diese Früchte des Fairen Handels – und noch viele andere - haben eindeutig mit der Frucht zu tun, die hier im Mittelpunkt steht. In der Kakaoschote liegen eingebettet im süßlichen weißen Fruchtfleisch rund 50 Kakaobohnen. So ist der Name der Kooperative auch gleichzeitig ihr Programm: Kuapa Kokoo, was nichts anderes bedeutet als Kakao von guten Bauern. Mit dieser Namensgebung ist auch gleichzeitig das Ziel verbunden die bestmöglichen Kakaobohnen zu produzieren. Dieses Streben nach dem Bestmöglichen zieht sich auch wie ein roter Faden durch die übrigen Aktivitäten der Kooperative, sei es auf dem Feld oder im sozialen Bereich. Nicht umsonst ist diese Bauerngemeinschaft in den letzten Jahrzehnten auf über 100.000 Mitglieder gewachsen. Diese beeindruckende Anzahl von Mitgliedern untergliedert sich in viele kleine Dorfgemeinschaften in fünf Regionen Ghanas. An einem Beispiel wird mir beim Besuch der Kooperative wieder deutlich, wieso so viele Bäuerinnen und Bauern Mitglied geworden sind.

Der Kampf gegen Kinderarbeit wirkt vor Ort

Die Kinderarbeit und Kinderarmut ist eine traurige Realität in Ghana die mir vielerorts auf Märkten und an Straßenrändern begegnet. Laut Studien der vergangenen Jahre stecken 1,6 Mio Kinder in der Kinderarbeit im Kakaosektor von Ghana und der Elfenbeinküste. Viele Familien können es sich schlicht nicht leisten ihre Kinder zur Schule zu schicken oder es besteht vor Ort keine Möglichkeit ihre eine Schule zu besuchen. Die Verantwortlichen der Kooperative Kuapa Kokoo haben sich tiefgehend auseinandergesetzt mit dieser Herausforderung: Herausgekommen sind eine Reihe von Präventionsprogrammen, die vor Ort in den Dorfgemeinschaften wo Kuapa Kokoo präsent ist, umgesetzt werden.

So wurden im vergangenen Jahr Einzelgespräche mit 7000 Kindern geführt, die in den verstreuten Gemeinschaften leben, in denen Kuapa Kokoo wirkt. Dabei wurden 1136 Kinder identifiziert, die in Risikozonen besonders gefährdet sind. Um sicher zu stellen, dass diese Kinder ihre Schulpflicht wahrnehmen können und nicht in die Kinderarbeit abdriften wurde von der Kooperative das Schulgeld, die Schulmaterialien und die Schuluniformen (in Ghana üblich zum Schulbesuch) finanziert.

Der Weg in die Schule führt auch über die Fairtrade Prämie

So wurde dieses und andere Präventionsprogramme ergänzt durch z.B. den Bau von Grundschulen die dann in unmittelbarer Gegend der lokalen Gemeinschaften liegen, so dass Kinder dort zur Schule gehen können. Diese wurden mit Hilfe der Fairtrade Prämie finanziert, die somit in die Zukunft der Kinder investiert wird nach dem Motto: Kinder sollen in der Schule und nicht auf dem Feld arbeiten.

Das Fairtrade System verbietet nicht nur Kinderarbeit, sondern sorgt mit den Partnerorganisationen vor Ort in Risikozonen dafür, dass durch konkrete Präventionsmaßnahmen der Kampf gegen Kinderarbeit konkret geführt wird.

Dies ist umso bedeutungsvoller und wichtiger da eines der Nachhaltigkeitsziele Ende kommenden Jahres voraussichtlich krachend verfehlt werden wird. 2025 sollte das Jahr werden, wo Zwangsarbeit bei Kindern völlig abgeschafft wird. Von den aktuell 27,6 Millionen Menschen, die in Zwangsarbeit stecken sind 3,3 Millionen Kinder! Zwangsarbeit und Sklaverei sind die Spitze des Eisbergs, wo Kinder in den Lieferketten arbeiten müssen. Bedauerlicherweise ist seit COVID-19 die Anzahl der Kinder, die in die Kinderarbeit abgeglitten sind, wieder angestiegen. So braucht es weiterhin nicht nur einen resoluten Kampf gegen diese Geißel, die vielen Kindern ihre Kindheit raubt.

Ursachen bekämpfen durch existenzsicherndes Einkommen

Es gilt auch gerade die Ursachen zu bekämpfen. Der Kampf gegen die Armut der arbeitenden Menschen, in engl. den sog. working poor, kann nur gewonnen werden durch ein existenzsicherndes Einkommen für die Eltern. Fairtrade hat hier nicht nur konkretes geleistet mit den neuen Fairtrade Bedingungen im Kakaobereich durch die Anhebung der garantierten Mindestpreise und Fairtrade Prämie. Gemeinsam mit den Partnern des Fairen Handels wurden entsprechende Pilotprojekte ins Leben gerufen mit konkreten Schokoladenprodukte, die den Weg zeigen: Ein existenzsicherndes Einkommen ist möglich. Einer der Bauern hat es auf den Punkt gebracht als ich ihn gefragt habe, was der Schlüssel im Kampf gegen Armut, Kinderarbeit und Migration nach Europa ist: „Bildungsmöglichkeiten schaffen für unsere Kinder und existenzsicherndes Einkommen für ihre Eltern“.

Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Den Rest haben wir in der Hand – oder auch nicht- wenn wir ins Regal greifen, wo die Schokolade liegt. - Jean-Louis Zeien